Berlin hat die Mieten gedeckelt. Jetzt wird es noch schwieriger, eine Wohnung zu finden. Das hätte man vorher wissen können.

FAZ vom 21.06.2020 – Hinterher ist man immer schlauer, so heißt es oft. Im Fall der Berliner gilt das nicht. Da hätte man schon vorher schlau sein können. Natürlich: Experten liegen vorher nicht immer richtig, sie können auch mal später dazulernen, das haben ungezählte Krisen gezeigt, von der Finanzkrise bis zu Corona. In diesem Fall aber sehen die Prognosen der Ökonomen ziemlich zuverlässig aus.

Was würde passieren, wenn in einer Boomstadt wie Berlin die Mieten gedeckelt würden? Die Antworten waren vielfältig – aber sie liefen immer auf eines hinaus: Für die meisten Leute wird die Wohnungssuche schwieriger.

Es gibt weniger Wohnungen zu mieten

Denn: Es gibt weniger Wohnungen zu mieten. Statt zu vermieten, verkaufen einige Eigentümer ihre Wohnungen lieber als Eigentumswohnungen. Wo noch vermietet wird, werden die Wohnungen seltener modernisiert – die Folgen sieht man langfristig. Kurzfristig steigen schon mal die Ablöseforderungen für Küchen und andere Möbel. Auf der anderen Seite verstärkt sich der Run in die Innenstadt. Schließlich locken gedeckelte Mieten mehr Leute an. Dazu kommt: Wer das nötige Kleingeld hat, nimmt angesichts des Mietendeckels gerne mal eine größere Wohnung, zum kleineren Quadratmeter-Preis kann man sich die ja leisten.

Vor fast genau einem Jahr hat der Berliner Senat die Eckpunkte für seinen Mietendeckel beschlossen, vor vier Monaten trat er in Kraft. Jetzt sind die ersten Ergebnisse sichtbar. Deutlich sichtbar, muss man sagen – und sie sehen genau so aus, wie es die Ökonomen vorhergesagt hatten. In Berlin werden immer mehr Eigentumswohnungen angeboten, so zeigt es eine Analyse des Immobilienportals „Immobilienscout 24“. Gleichzeitig geht der Trend bei den Mietwohnungen nach unten. Der Trendwechsel fällt in den Sommer 2019, kurz nachdem sich der Berliner Senat auf den Mietendeckel geeinigt hat.

So nützt der Mietendeckel zwar allen, die jetzt schon eine Wohnung haben – den Übrigen aber schadet er: Zuzüglern zum Beispiel, aber auch Paaren, die zusammenziehen oder sich trennen wollen. Jungen Leuten, die endlich von zu Hause ausziehen wollen. Selbst alte Leute, die zu viel Platz haben und sich eigentlich verkleinern wollen, werden sich diese Tortur einer Wohnungssuche nur ungern antun.

Am Ende steht leider nur eine Erkenntnis, die nicht furchtbar neu ist: Probleme auf Märkten löst man nicht, indem man die Preise manipuliert, sondern indem man das Übel an der Wurzel packt. Wo es an Wohnungen fehlt, braucht man keinen Mietendeckel und keine Enteignungen, sondern neue Wohnungen und im Zweifel mehr sozialen Wohnungsbau. Die Berliner Lehre von der Preismanipulation ist eine von Dutzenden, die man in den vergangenen Jahrzehnten lernen konnte. Schade, dass sie immer noch so wenig beherzigt wird. Doch es gibt eine Chance, es besser zu machen: Die Deutschen diskutieren ja schon wieder über die Fleischpreise.

Patrick Bernau
Verantwortlicher Redakteur für Wirtschaft und „Geld & Mehr“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. (Aus der FAZ übernommen – Hier der Link vom Artikel bei der FAZ.)

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